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Maisch, Wilhelm

Führender Kopf der Basler China-Mission

Zum kostbarsten Besitz des Stadtarchivs Gerlingen zählen fünfhundert Fotoplatten von Wilhelm Maisch, die er während seines China-Aufenthaltes über die Mission und über das Leben und den Alltag der Chinesen produziert hat. Diese Fotosammlung war im Besitz der Familie Maisch in Ravensburg. Angesichts des dokumentarischen Wertes wurden Abzüge hergestellt und die Originale dem Archiv der Basler Mission zur Verfügung gestellt. Eine Auswahl der Fotos finden Sie hier....

„Am 2. Juli (1924), während wir in der Leonhardskirche zu Basel unser Jahresfest feierten, kam das Telegramm (aus China), das uns den Tod von Bruder Maisch meldete. Die Nachricht traf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel, obwohl wir bereits von seiner Erkrankung wussten. Menschlich gesprochen ist dies der schwerste Verlust, der uns in China treffen konnte." Mit diesen Sätzen beginnt der Nachruf von Missionsdirektor Dipper im „Heidenboten", einem Presseorgan der Basler Mission unter der Überschrift: „Zum Gedächtnis unseres Präses Maisch."

Beerdigung des Missionars Maisch

Zwei Jahre zuvor war er zum zweiten Mal ausgereist, um den in 16 Jahren vorbereiteten Aufbau der Basler chinesischen Mission und ihre Umwandlung in eine eigenständige chinesische Kirche abzuschließen.

Kirche in Khonngwo

Viele Missionare hatten im Süden des Riesenreiches China an der Ausbreitung des Evangeliums mitgewirkt. Nun war die Zeit gekommen, die Mission auf eigene Füße zu stellen und sie unabhängig zu machen vom ausländischen Missionar, aber auch von den finanziellen Zuschüssen aus dem Ausland. So schrieb Maisch:

„Eine ganze Periode der Missionsarbeit in China ist abgeschlossen und eine neue nimmt ihren Anfang. Die Zeit ist ein für allemal vorbei, wo ausländische Missionen und Missionare die Leitung der Arbeit ausschließlich in ihrer Hand halten. Der Ausländer muss herunter von seiner beherrschenden Stellung, muss neben den Chinesen treten und ihn als gleichberechtigt anerkennen."

Für manche Missionare und Missionsfreunde waren dies starke Worte, die nicht überall gefielen.

Geburtshaus von Wilhelm Maisch in der Gerlinger Hauptstraße 75

Wilhelm Maisch wurde am 13. Januar 1878 in Gerlingen als Sohn des Schreinermeisters und späteren Waldmeisters Christoph Maisch und der Marie geb. Zimmermann geboren. Ein begabter und wissbegieriger Bub soll er gewesen sein, der seine Mutter mit Fragen fast zur Verzweiflung brachte, so dass diese ihrem Mann drohte, davonzulaufen, wenn er nicht dafür sorge, ihn vorzeitig in die Schule zu schicken. So kam er mit fünf Jahren zur Schule, war der jüngste und bald der beste Schüler. Er wurde Bau- und Möbelschreiner. Während seiner Lehrzeit besucht er den Zeichenunterricht von Lehrer Uhl in Gerlingen, der ihn später in die Lage versetzt, seinen Chinesen Zeichnungen anzufertigen, die sie ohne viel Worte verstehen.

Maisch sitzend mit seinem Lehrer

 

Dem Vater wurde schwer ums Herz

Seine geistliche Heimat findet er im Gerlinger Jünglingsverein; dieser und Pfarrer Mörike haben ihn geprägt. Er meldet sich 1897 ins Missionshaus nach Basel und wird auch gleich aufgenommen. Das viele Lernen, besonders das Griechische, Hebräische, Lateinische und Englische, fallen ihm nicht schwer. Nach der Ausbildung wird er für China bestimmt. Über den Abschied von Gerlingen schreibt er:

„Es war am Morgen des 7. September 1904, als eine Chaise mit zwei munteren Rappen bespannt die Straße herauf gefahren kam. Mein Onkel, meiner Mutter Bruder, saß auf dem Bock; er kam mich abholen auf die große Reise. Über die Minuten, die nun folgten, will ich schweigen. Was das Herz da empfindet, kann nur der verstehen und mitfühlen, der schon in ähnlicher Lage war. Nachdem ich all den lieben Verwandten, Freunden und Nachbarn die Hand gedrückt hatte, stieg ich auf; ein letztes ‚Behüt dich Gott’ herüber und hinüber und fort ging's, das Dorf hinunter, wo mir von rechts und links noch Abschiedsgrüße zugewinkt wurden. In solchen Augenblicken empfindet man, was Heimat ist. Wir hatten eine halbe Stunde auf die Bahnstation Ditzingen zu fahren. Mein lieber Vater saß neben mir im Wagen. Ungefähr um die selbe Zeit vor sieben Jahren war er mit mir denselben Weg gegangen, als ich das erste Mal nach Basel reiste, um ins Missionshaus einzutreten. War es ihm damals schwer geworden mir Adieu zu sagen, so wurde es ihm heute noch schwerer und wir saßen schweigend nebeneinander. Auch mein Onkel sprach nicht viel, obwohl er sich als warmer Missionsfreund freute über meinen Auszug nach China...

So kamen wir auf die Station. Nun galt es, das letzte Band zu durchschneiden, und das ist mir wohl am schwersten geworden. Immer noch steht das Bild meines Vaters vor mir, wie er auf dem Perron stand und wortlos, regungslos dem davoneilenden Zug nachschaute. Eine halbe Stunde später stand ich in den Straßen von Stuttgart - allein; die Brücke war hinter mir abgebrochen."

Maisch (li.) mit einem Lehrer

 

Erste Aufgabe: Bau einer Station

Drei Monate dauert es, bis Wilhelm Maisch sein Reiseziel in China erreicht hat: 38 Tage sind sie von Genua nach Hongkong unterwegs, weitere 14 Tage auf dem Ostfluss von Hongkong Über Kanton nach Laulung, von dort zu Fuß und zuletzt noch zu Pferd bis Tschongtshun. Genau ein Vierteljahr ist vergangen, seit er sein Elternhaus verlassen hatte. Seine Missionstätigkeit in Hoschuwan beginnt mit dem Bau einer Station.

Rast auf dem Pass Schungla

Darüber schreibt er:

„Nicht weniger Schwierigkeiten als die finanzielle Leitung der Bauten machte mir die technische. Ich verstand wohl etwas von Bauschreinerei, aber Häuser bauen, Planen und Drainierungsarbeiten machen, Brunnen graben etc. ist dann doch wieder etwas anderes. Außer der Bauten habe ich die Knabenanstalt mit 30 Schülern. Früher hatte ich nie mit der Leitung einer Schule etwas zu tun gehabt. Ich hatte die Anmeldungen entgegenzunehmen, mit den Leuten die Höhe des Kostgeldbeitrags auszumachen, dabei kannte ich niemand. Lehrer war keiner da, der kam erst mit den Schülern, frisch aus dem Seminar. Mit ihm hatte ich dann den Lehrplan zu machen und Schulbücher in Kanton zu beschaffen. Alles böhmische Dörfer für mich, kannte ich doch die Fachausdrücke noch nicht und trat doch der neue Lehrplan in Kraft. Dabei musste ich für die leiblichen Bedürfnisse der Schüler sorgen, für Wohnung und Essen. In der Anstalt wurden immer vier bis fünf Schweine gehalten, da es bei so vielen Leuten (die Bauarbeiter essen auch auf der Anstalt) viele Abfälle gibt. Ein Schwein hatte ich von Bruder Lutz übernommen, vier weitere im Wert von 35 Dollar kaufte ich. Da kam im Mai und Juni der Milzbrand, massenweise starben sie in der Umgebung, innerhalb von drei Wochen waren von meinen fünf Stück zwei krepiert und die andern drei musste ich bereits krank verkaufen. Und nun kommt die eigentliche Missionsarbeit, d.h. vorher noch die Verwaltung der vier Gemeinden, deren jede einen Kirchen- und einen Armenfond hat in der Verwaltung des Missionars... Die eigentliche Missionsarbeit musste ich dieses Jahr sehr zurückstellen... Außerdem bin ich auch Arzt. Die Leute kommen oft weit her, um sich verbinden zu lassen oder Arznei zu kaufen."

Schlafgelegenheit in einer Außenstation

Das waren in gekürzter Form die Arbeit, aber auch die Leiden eines Chinamissionars. Die Bautätigkeit ließ mit der Zeit nach, dafür kamen ganz neue Aufgaben, die ihn wochenlang von zu Hause abhielten, in das Ende 1907 seine Frau Luise geb. Lohß eingezogen war. Getreu den Verlobungsvorschriften hatte er sich zwar an die Richtlinien gehalten, ging dann aber bald massiv gegen diese Paragraphen vor und brachte sie schließlich zu Fall. Das Ehepaar Wilhelm Maisch hatte zwei Buben, Zwillinge, die aber bald starben. Bitter war es für die Eltern, als sie in Hongkong von einem norwegischen Arzt hören mussten, dass es nur eines Kaffeelöffels Orangensaft pro Tag bedurft hätte, um ihren Kindern das Leben zu retten. Sie waren an Skorbut gestorben. Dabei wuchsen Orangen und Zitronen in jeder Menge im Garten! Im Laufe der nächsten sechs Jahre wurden ihnen noch drei Kinder geboren, zwei Buben und ein Mädchen.

 

 

Mitten in der chinesischen Revolution

Im Jahre 1912 brach die große chinesische Revolution aus, die die Mandschu-Dynastie stürzte. Die Chinesen fühlten sich nun frei und schnitten sich zum Zeichen der neuen Freiheit ihre Zöpfe ab. Da die Missionare gefährdet waren, wurden sie aufgefordert, ihre Missionsstationen zu verlassen und sich nach Hongkong zu begeben. Auch Wilhelm Maisch floh mit seiner Familie dorthin.

Nach seiner Rückkehr in seine Missionsstation erhielt Wilhelm Maisch von Verwandten einen Fotoapparat, den er fleißig benützte. Er fertigte auch Dias an, die er selbst kolorierte und bei den Heidenpredigten einsetzte) die damit so anziehend wurden, dass oft mehr als 1000 Menschen daran teilnahmen. Aber nicht nur zur Evangelisation brauchte er seinen Fotoapparat, manches Mal schickte auch der Mandarin (Regierungsbeamter) nach ihm, um Todeskandidaten noch vor der Hinrichtung zu fotografieren.

Wilhelm Maisch und Mitarbeiter in Wintse

Kirche in Hoschuwan

In seiner Hoschuwaner Zeit begann Missionar Maisch sich Gedanken über die Stagnation der Missionierung zu machen. Er kam zu dem Ergebnis, dass es nötig sei, die Chinesen viel stärker zur Mitarbeit und zur eigenen Verantwortung heranzuziehen. In einem Bericht an Basel heißt es:

„Als ich hierher kam, besorgte der Missionar alles, die Lehrer (Chinesen) kümmerten sich außer dem Lektionsplan fast um nichts. Die ganze Schulökonomie samt den Finanzen besorgte der Missionar; jeden Griffel, jeden Bleistift, jedes Buch musste er selbst den Schülern kaufen, jeden Cent Schul-Büchergeld selbst einziehen. Heute tun dies alles die Chinesen, selbst die Aufnahme in die Primarschulen liegt ganz in ihren Händen. So hat der Missionar nur noch die Oberaufsicht, einen Teil der Andachten, die Prüfungen und die Abrechnung auf Jahresabschluss. Früher rauchten die Gehilfen ihre Pfeifen und trugen ihre Kinder spazieren, sahen dem Missionar zu, wie er alles besorgte und kritisierten dabei. Das ist jetzt anders geworden. Jeder hat seine Last und seine Verantwortung zu tragen. Sie seufzen zwar manchmal darunter, aber sie tun es doch gerne, denn ich lasse ihnen nicht nur die Bürde, sondern auch die Würde. Das Verhältnis zwischen den Europäern und den Chinesen ist dadurch nicht schlechter, sondern entschieden besser geworden!"

 

Zum Präses gewählt

1911 wurde Wilhelm Maisch zum Distriktspräses des „Ostflusses" gewählt. Jetzt konnte er seine Ideen leichter durchsetzen. Zehn Jahre war er schon im Lande, als 1914 der erste Heimaturlaub fällig war. Das heiße Klima und die viele Arbeit hatten seine Gesundheit erschüttert. Da brach der Erste Weltkrieg aus, und damit war an ein Heimkommen überhaupt nicht mehr zu denken. Aus gesundheitlichen Gründen musste er 1916 das Komitee bitten, ihn von seiner Aufgabe als Distriktspräses zu entbinden und auf eine Station umsiedeln zu dürfen, die eine gesundheitliche Erholung erlaubte.

Letztes Foto von Wilhelm Maisch Maisch (1. v.l.)

Da China nicht in den Ersten Weltkrieg verwickelt war, wurde die Familie nicht interniert. Nach Kriegsende konnte sie am 23. Februar 1920 ein japanisches Frachtschiff besteigen, das sie in 52 Tagen nach Hamburg brachte. In Welzheim, der Heimat von Frau Maisch, fanden sie in deren elterlichem Haus eine Wohnung. Als 1921 die Neubesetzung des Amtes des Generalpräses in Süd-China anstand, wurde ihm dies dringend angeboten. Da sich seine Frau noch nicht ganz erholt hatte, reiste er am 1. April 1922 allein nach Shanghai aus. Seine Frau sollte später nachkommen. Auf der Reise zu einer Predigtstation erkrankte er an Dysenterie. Am 25. Juni 1924 starb Wilhelm Maisch mit 46 Jahren in Kutschuk an Herzversagen.

Grab von Wilhelm Maisch in Kutchuk/China

Stadthistoriker Imanuel Stutzmann hielt 2009 Vorträge über Wilhelm Maisch in China (Vortrag als PDF-Dokument).

Hinweis:

Der genannte Ort Hoschuwan wird in der heutigen Pinyin-Umschrift "Heshuwan" geschrieben, liegt im Meilin-District, in der Guangdong-Provinz (andere, ältere Schreibweisen: Hoschuwan, Howan). Die Guangdong (alt Kanton)-Provinz umgibt Hongkong. Wenn Sie auf einer Karte den Ort Heyuan (früher Honyen) finden, ca. 170 km nördlich von Hongkong am Dong Jiang (= Ostfluss), so liegt Heshuwan etwa 40 km östlich von dieser Stadt an einem kleineren Fluss. Heshuwan selbst und dieser Fluss sind im Times Atlas nicht verzeichnet. Falls Sie "Schlatter, Geschichte der Basler Mission" haben, finden Sie die Orte auf der dort beiliegenden Karte. Auf den Webseiten der Basler Mission finden Sie ca. 100 Fotos des Ortes.