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Rathlef, James


1961, James Rathlef bei "seinen Indianern" im Amazonas-Becken

"Wir brauchen eine Initiative von Deutschland aus, die sich für das Wohl dieser geschundenen indigenen Völker Südamerikas einsetzt."

James Rathlef, der Visionär und Pionier, hat ein bewegtes Leben:

Als Sohn einer deutsch-baltischen Pfarrersfamilie wird er am 22. Mai 1896 geboren. (Dort ist es wohl üblich, den Kindern englische Vornamen zu geben.)

1918 siedelt er nach Deutschland über. Sein Ingenieursstudium muss er aus Mangel an finanzieller Unterstützung wieder aufgeben. Es folgen Jahre im CVJM Sachsen mit Jugend- und Kinderarbeit, Gemeindehelferprüfung in Carlsdorf/Ostpreussen, seine Heirat mit Elisabeth, geb. Hahl. Elisabeth stammt ebenfalls aus einer Pastorenfamilie aus Estland. Ihr Großvater war nach Estland gezogen, um dort ein Waisenhaus zu leiten.

Markant ist das Jahr 1936: James Rathlef wird von der Wichernvereinigung (Raues Haus in Hamburg) zum Evangelisten und Prediger berufen. Sein Dienst bringt ihn in viele Gemeinden und Kirchen in ganz Deutschland. 1951 beginnt er eine ganz neue Art der Evangelisation in einer Zelthalle: Er gründet zusammen mit Freunden die Zeltmissionsvereinigung Süd e. V. (Bis heute ist dieses Zelt in vielen Gemeinden im Einsatz.)

Der Gerlinger Bürgermeister Eberhardt setzt sich sehr dafür ein, dass Familie Rathlef nach Gerlingen kommt und im Stadtteil Gehenbühl bauen kann. 1958 findet gleichzeitig mit der Haus-Einweihung der erste evangelische Gottesdienst im Stadtteil Gehenbühl statt. Im Haus der Rathlefs wird für viele Jahre Gottesdienst gefeiert - bis dann die Lukaskirche gebaut wird. In späteren Jahren lädt die Evangelische Allianz in Gerlingen James Rathlef und sein Team dreimal zu Evangelisationen nach Gerlingen in die Zelthalle ein.

1961 ist James Rathlef Mitbegründer der Vereinigten Deutschen Missionshilfe (VDM). (Die VDM ist heute eine der größten evangelikalen Missionen Deutschlands. Weltweit sind ihre Missionare im Einsatz, oft in Verbindung mit einheimischen Partnermissionen.) Viele Jahre hindurch ist Gerlingen der Sitz dieser Mission.

Für James Rathlef steht der Entschluss fest: "Wir brauchen eine Initaitve von Deutschland aus, die sich für das Wohl dieser geschundenen indigenen Völker Südamerikas einsetzt." Im Vordergrund sollen die Verkündigung der frohen Botschaft der Bibel, die Gründung von Gemeinden und nicht zuletzt medizinische Hilfe stehen. Starke Unterstützung bekommt James Rathlef von seinem großen Freundeskreis, mit dem er intensiven Kontakt hat. Durch seine Rundbriefe und durch die Missionszeitschrift "Werdet meine Zeugen" sind die Freunde bestens informiert. In den vielen Jahren seiner Evangelisationstätigkeit in Deutschland hatten unzählige Erwachsene und Kinder zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Viele von ihnen sind bereit, dieses neue Projekt zu unterstützen. Einige Freunde stellen sich zur Verfügung und wollen selbst Hand anlegen.

1961, also im Alter von 65, besteigt James Rathlef das Flugzeug nach Südamerika. Urwald live. Was mag einen Mann bewegen, der in einem Altern, in dem andere sich bereits zur Ruhe setzen - ein halbes Jahr lang in den tiefsten Dschungel Südamerikas vordringt? Sich der Gefahr auszusetzen, von Menschenfressern gejagt zu werden. Tödliche Tropenkrankheiten und Strapazen ohne Ende in Kauf zu nehmen. Lange Urwaldmärsche, in der Wildnis sein Lager aufzuschlagen, Schwärme von Moskitos und Blutsaugern bei Tat und Nacht in Kauf zu nehmen, Gefahr mit Giftschlangen, Skorpionen und ... und ... und ...

Vom Hochland Boliviens mit über 4.000 Metern Höhe hinunter ins Sumpfgebiet des Amazonas, dann in die Kaktuswüste des Chaco in Paraguay bei 48 Grad Celsius im Schatten ... 

Die Botschaft von Jesus Christus und seiner Errettung will er den Ureinwohnern bringen. Eine Botschaft voller Hoffnung. Gegen die Angst. Er will sich keinen Bären aufbinden lassen, was die Situation der indigenen Bevölkerung anbelangt. Längst hat er die Not dieser Menschen in sein Herz genommen. Er liebt Menschen.

Was Rathlef auf seiner Exkursion durch Südamerika erlebt, legt sich wie eine schwere Last auf ihn. Beispiel: 900 Mitglieder eines Stammes sterben auf einen Schlag an den Folgen von Masern. Es ist niemand da, der Hilfe leistet. Niemand, der ihnen von der Liebe Gottes sagt. Rathlef ist auf den Spuren von Farmern, Goldschlürfern, Gummisuchern, Händlern, die die Stammesleute skrupellos ausbeuten. Der hochprozentige Zuckerrohrschnaps wird eingesetzt, um diese Urwaldkinder gefügig zu machen. Ganze Stämme sterben aus. Auch die Stammeskriege und die brutalen Riten in ihren Kulturen tun das ihre. Sollten diese Völker nicht eingeschlossen sein, wenn Jesus in Matthäus 28, Vers 19 sagt: "Geht nun zu allen Völkern der Welt und macht die Menschen zu meinen Jüngern"?


1962, James Rathlef beim Filmen; Filmtitel "Traumwelt am Äquator"

Bereits acht Monate nach seiner Rückkehr aus Südamerika kommt es am 27. Dezember 1962 zur Gründung der Deutschen Indianer Pionier Mission (DPIM).

Link zur Gründungsurkunde, die im kleinen Arbeitszimmer von James Rathlef in Gerlingen-Gehenbühl, im Ganswiesenweg 37, unterschrieben wurde. 

Am Anfang stehen 23.000 DM und ein Missionar. Dieser Missionar ist Winfried, der älteste Sohn von James Rathlef, bereits aktiv in Brasilien tätig. Es sollen noch viele weitere Missionare dazu kommen.

Die Arbeit der DIPM dehnt sich über Brasilien und Paraguay aus. Fast zehn Jahre lang - bis zu seinem 75. Lebensjahr - leitet James Rathlef die gesamte Mission. Das beinhaltet unter anderem, viele Reisen nach Südamerika zu unternehmen. Rathlef scheut keine Strapazen, um zu den frisch ausgereisten Missionaren vorzudringen und sie zu ermutigen. Er wagt sich vor in den Urwald, wo es keine Wege mehr gibt, keine medizinische Hilfe, keinen Funk, kein Telefon, keinen Laden, kein Gesetz. Es herrscht nur noch das brutale Gesetz des Waldes. Mit 75 Jahren dringt er zusammen mit seinem Nachfolger in den Urwald Paraguays vor, auf der Suche nach neuen Einsatzgebieten. Der Ruf der Häuptlinge ist unüberhorbar. Sie bitten um Hilfe, um Missionare. Wer kann da die Augen verschließen, angesichts der Not dieser geknechteten und sterbenden Menschen ... (Heute sind mehr als 60 Missionare in den Stämmen tätig, dazu noch eine Anzahl von Kurzzeitmitarbeitern.)

James Rathlefs Herz schlägt für Menschen. Großes Vertrauen bringt er ihnen entgegen. Das spüren die Indianer, aber auch die Besucher in seinen Vortragsreihen. Er macht es den Menschen leicht, sich diesem starken Gott anzuvertrauen und Vergebung der Schuld in Anspruch zu nehmen. Unzählige Menschen suchen Hilfe bei James Rathlef und nehmen gerne seinen Rat an.

Die sechs Kinder der Rathlefs tragen das Anliegen der Mission in ihren Herzen:
Maria und Brigitte von Deutschland aus, Winfried und Reinhard zogen nach Brasilien, Renate nach Japan und Angela nach Italien. Zusammen mit ihren Ehepartnern. Dieses missionarische Feuer ist jetzt auch bei den Enkelkindern zu finden. Einige stehen bereits im Missionsdienst in Übersee. Dafür haben die Großeltern viele Jahre gebetet. Es war ihnen ein großes Anliegen.

Im hohen Alter erlebt Ehepaar James und Elisabeth Rathlef einen schönen Abschluss ihrer Missionstätigkeit: Fast zwei Jahre können sie bei ihrem Sohn Winfried und seiner Familie in Campo Grande/Brasilien verbringen, Tür an Tür mit Stadtindianern.

James Rathlef verstarb am 01. November 1988. Drei Tage vorher konnte sein Wegbegleiter Hellmut Lang ihn noch in seiner Wohnung aufsuchen und Abschied nehmen. Schon bettlägrig hat Rathlef diesen Besuch bewusst wahrgenommen. Elisabeth, seine Frau, pflegte den 92-jährigen in ihrer Wohnung bis zur letzten Stunde. Ein starkes Jahr später, am 01.02.1990, folgte Elisabeth ihrem Mann, auch nach nur kurzer Leisenszeit. Beide starben in Vorfreude auf den Himmel. Beigesetzt sind beide in Kaufbeuren, wo zwei ihrer Töchter wohnen.

James Rathlef schreibt in seinem Buch "Ich gedenke der Taten des Herrn - mit Jesus in drei Erdteilen" (Buch vergriffen):

"... Am 17. Oktober 1961 bestieg ich in Frankfurt die Boeing 707 ... Für das kommende halbe Jahr waren folgende Stationen vorgesehen: Peru, Bolivien, Paraguay, Brasilien und Venezuela ... Der Zugang zu den Stämmen und einzelnen Siedlungen war fast ausschließlich im Boot oder per Wasserflugzeug möglich. So bin ich in dieser Zeit 68 Mal mit dem Flugzeug gestartet ..."

Pfarrer Hellmut Lang, langjähriger Vorsitzender der DIPM, ist voller Erwartung und sagt zu James Rathlef: "Wenn der erste Häuptling getauft wird, gehen wir rüber und feiern mit!" Allen ist klar, dass Gott hier selbst eingreifen muss. Was sollen Missionare bezwecken? Zu groß ist die verzweifelte Notlage dieser Menschen! Aber wenn Gott in der Lage ist, hier in Deutschland Wunder zu tun und Menschen neues Leben zu schenken - warum soll er es in Südamerika nicht tun?